Raumgreifend 2

Für Spielereien mit KI-gestützter Bildgenerierung bin ich eigentlich immer zu haben, aber bei einem lokalen Platzbedarf von > 5 GB hört der Spaß auf. Wer einmal 1000 D-Mark für 10 MB Festplattenplatz zahlen musste, begegnet raumgreifender Informationsverarbeitung für den Rest seines Lebens mit einer gewissen Reserve. Herwig Feichtinger hat diese Empfindung bereits 1986 in der Mikrocomputer-Zeitschrift mit der gebotenen Entrüstung auf den Punkt gebracht –

Die Speicherpreise sind in den letzten Jahren drastisch gesunken. Mikrocomputer mit mehr als 64 KBvte RAM waren noch vor vier oder fünf Jahren fast undenkbar – nicht nur mangel Adressierbarkeit durch 8-Bit-Prozessoren. sondern vor allem wegen der damals horrenden Preise für die nötigen Chips. Manch einer konnte sich auch gar nicht vorstellen, wozu er jemals mehr Speicher brauchen würde...

Die Zeiten haben sich geändert. Die Chips wurden billiger, und man kann kaum noch einen PC mit weniger als 256 KByte RAM kaufen. Die braucht er aber auch: Es ist fast schon schwierig geworden, ein Software-Paket zu finden, das mit weniger auskommt. Dabei war doch früher eine komfortable Textverarbeitung oder gar eine komplette Finanzbuchhaltung mit 64 KByte RAM gar kein Problem?!

Das alles hat gute Gründe. Vor fünf Jahren wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, zum Beispiel ein wirklich professionelles Textverarbeitungs-System in einer anderen Sprache als Assembler zu schreiben. Das Resultat waren kompakte und trotz 8-Bit-Verarbeitung recht schnelle Programme. Natürlich: Assembler-Programmierung hat gegenüber höheren Sprachen Nachteile – wie schlechte Portabilität, höhere Entwicklungsdauer, schwierige Änderbarkeit. Aber nur für den Software-Entwickler, nicht für den Käufer: Dem ist es egal, in welcher Sprache das letztlich durch Compilation ohnehin unlesbare Programm geschrieben wurde.

Heute werden von den größeren Software-Häusern höhere Programmiersprachen bevorzugt, namentlich die Sprache C, aber auch Pascal oder Basic. Ohne viel Arbeit läßt sich solch ein Programm auch für andere Computertypen compilieren. Sicher brauchen solche Programme mehr Platz im Speicher als die früher bevorzugte Assembler-Software. Aber spielt das denn eine Rolle bei den so drastisch gefallenen Speicherpreisen und bei den heute großzügig mit Arbeitsspeicher ausgestatteten Rechnern?

Leider doch. Wer einmal mit Wordstar-2000 gearbeitet hat, weiß, daß ein für die 8088-CPU compiliertes C-Programm langsamer ist als ein 8080-oder Z80-Assembler-Programm. Und wer dauernd Disk-Jockey spielen muß, weil das komplette Programmpaket nicht einmal mehr auf eine 360-KBvte-Diskette paßt, und wer die hundert oder mehr Kilobytes, die heutige Programme fressen, beim Start jedesmal erst mühsam von der Floppy-Disk herunterholen muß (wer arbeitet schon den ganzen Tag mit dem gleichen Programm?), sehnt sich manchmal ehrlich nach der 8-Bit-Ära zurück...

Ich weiß, ich weiß, eigentlich braucht man für Micropros Wordstar-2000, Microsoft-Windows und ähnliche Programme eine Festplatte. Dann geht das Laden wirklich flott. (Auch hierzu paßt das Argument fallender Speicher-Preise.) Nur frage ich mich, warum der Käufer mit teurer Hardware die Speicherverschwendungs-Wut der Software-Hersteller bezahlen muß.

Es wäre schön, wenn mehr Software-Häusern bewußt wäre, daß die Hardware-Ausstattung der Mehrzahl ihrer Kunden nicht mit der ihres Entwicklungs-Systems übereinstimmt. Es soll auch noch Anwender ohne Festplatte geben – und sie wird es immer geben, sonst wären die kleinen Aktentaschen-Computer kaum sinnvoll. Die vielbeschworene Benutzerfreundlichkeit kann auch darin bestehen, daß ein komfortables Programmpaket dank Kompakt-Schreibweise zusammen mit dem Betriebssystem und in paar Benutzer-Dateien auf einer einzigen Diskette Platz findet.

– aber auch 2022 empfinden Menschen den Status Quo als unbefriedigend:

Part of my brain still lives with C64 tapes and disks. Tape? one or two files, unnamed, may you rewind to the right spot. Someone put 5 files on the 5.25" disk? unthrifty!

Now one volume has millions and what's all this about honestly?