LaTeX für Linguisten

Auch für Linguisten ist LaTeX eine gute Alternative zu herkömmlicher Textverarbeitung. Besonders die Standardisierung im Bereich phonetischer Zeichen und die Makros für syntaktische Bäume sind ein gutes Argument für den Umstieg. Ich stelle im folgenden einige Pakete vor, die bei der Formatierung linguistischer Texte hilfreich sind.

Beispielnummerierung und Querverweise

Standardmäßig ist die Listenumgebung enumerate in LaTeX nicht für eine dokumentenweite Durchnummerierung gedacht: Jede neue Liste beginnt mit der Nummer 1. (je nach Formatierung auch mit a) oder I). Darüber hinaus werden Querverweise immer mit der Nummer des jeweils aktuellen Abschnitts (\section) versehen.

Diese Beschränkungen werden durch das Paket gb4e behoben. Es stellt unter anderem die Umgebung \begin{exe} … \end{exe} zur Verfügung, innerhalb derer einzelne Beispiele mit \ex eingeleitet werden. Strukturieren lassen sich Beispiellisten mit eingebetteten Umgebungen (\begin{xlist} … \end{xlist}). Zusätzlich können in eckigen Klammern Grammatikalitätsbewertungen angegeben werden. Beispiel:

\begin{exe} \ex \begin{xlist} \ex Ich sagte der Polizei, dass Hans den Einbruch verübt hat. \ex Ich sagte der Polizei, wer den Einbruch verübt hat. \ex Ich sagte der Polizei, ob Hans den Einbruch verübt hat. \label{bsp:e-is1} \end{xlist} \ex \begin{xlist} \ex Die Polizei glaubte mir, dass Hans den Einbruch verübt hat. \ex[*]{Die Polizei glaubte mir, wer den Einbruch verübt hat.} \ex[*]{Die Polizei glaubte mir, ob Hans den Einbruch verübt hat.\label{bsp:e-is2}} \end{xlist} \ex \begin{xlist} \ex[*]{Sie fragte mich auch, dass ich das von seinem Komplizen weiß.} \ex Sie fragte mich auch, von wem ich das weiß. \ex Sie fragte mich auch, ob ich das von seinem Komplizen weiß. \label{bsp:e-is3} \end{xlist} \end{exe}

Aus diesem Code entsteht folgendes Bild:

Auf die verwendeten Labels (z.B. \label{bsp:e-is3}) kann wie üblich mit \ref{bsp:e-is3} Bezug genommen werden, im Text erscheint dann die Beispielnummer (\pageref{bsp:e-is3} liefert die Seitennummer).

Um die Beispielnummerierung (etwa bei einem neuen Kapitel zurückzusetzen), verwendet man den Befehl \setcounter{exx}{0} unmittelbar hinter der Kapitelüberschrift.

gb4e liefert noch eine Reihe weiterer Makros für Linguisten, die im Handbuch beschrieben sind. Eine praktische Ergänzung zu gb4e ist das kleine Paket jambox, mit dessen Hilfe linksbündige Kommentare in einem festen Abstand zu den Beispielen eingegeben werden können:

\begin{exe} \jamwidth=4cm\relax \ex \label{bsp:gehenfr} Wer geht? \begin{xlist} \ex \label{bsp:gehenin} $\lambda$a$\lambda$i [ $\lambda$m[gehen(a)(m)] = $\lambda$m[gehen(i)(m)] ] \jambox{Intension} \ex \label{bsp:gehenex} $\lambda$i [ $\lambda$m[gehen(a)(m)] = $\lambda$m[gehen(i)(m)] ] \jambox{Extension} \ex Noch eine Demonstrationszeile… \jambox{mit Kommentar} \end{xlist} \end{exe}

Dieser Code erzeugt die Kommentare in vier Zentimetern Entfernung vom rechten Seitenrand:

Glossierung

Das „Schwesterpaket“ zu gb4e ist cgloss4e. Die beiden Pakete sollten gemeinsam verwendet werden. cgloss4e erlaubt es, Glossen sauber unter einem Sprachbeispiel auszurichten (und in einer dritten Zeile eine freie Übersetzung anzugeben). Der entsprechende Code sieht aus wie folgt:

\begin{exe} \ex \gll Den Fritz habe ich zum Essen eingeladen.\\ the fred have I {to the} eating invited.\\ \glt I invited Fred for dinner. \end{exe}

Und das Ergebnis ist:

Einzelne Ausdrücke im Beispiel, die in der Glosse zwei syntaktische Wörter darstellen, müssen mit geschweiften Klammern zusammengefasst werden (vgl. zum / to the). Nicht übersetzbare, weggelassene Elemente werden durch leere geschweifte Klammern repräsentiert.

Syntaktische Bäume

Eines der beeindruckendsten Makropakete ist pstricks, mit dem man auf einfache Weise PostScript-basierte Grafiken erstellen kann. Auf pstricks baut qtree auf, das die Notation syntaktischer Bäume noch weiter vereinfacht. Die Eingabe erfolgt in einer Variante der bekannten Klammernotation:

\begin{center} \Tree [.VP [.V$^1$ \textit{dem Affen} [.V$^1$ \textit{Zucker} [.{\textit{geben}} ]!\qsetw{6cm} ]]]} \end{center}

Dieser Code erzeugt folgende Ausgabe:

Der Befehl !\qsetw{6cm} unmittelbar hinter einer schließenden eckigen Klammer modifiziert die Breite der durch diese Klammer beschriebenen Verzweigung. Ersetzt man die Angabe durch !\qsetw{3cm}, ergibt sich folgendes Bild:

Möchte man die Analyse abkürzen, verwendet man den Befehl \qroof:

\begin{center} \Tree [.S \qroof{Der Landrat}.NP \qroof{isst einen Lammbraten}.VP ] \end{center}

Ausführlichere Hinweise liefert das Handbuch zu qtree.

Etwas komplexer ist die Erstellung von Verbindungslinien (etwa zur Veranschaulichung von Rektion) zwischen einzelnen Knoten im Baum. Die besten Erfahrungen habe ich mit den Funktionen von pst-node, einem Modul der pstricks-Sammlung, gemacht. Beispiel:

\begin{figure}[H] \begin{center} \Tree [.CP [.{\spec{CP}} \rnode{ps:wer}{\textit{Wer\dex[i]}} ] [.\ibar{C} [.\obar{C} \textit{meinst} ] [.IP \qroof{\textit{Du …}}.IP [.CP [.{\spec{CP}} \rnode{ps:t2wer}{\trace} ] \qroof{\rnode{ps:t1wer}{\trace} lässt Maria …}.\ibar{C} ]]]] \ncbar[angleA=-90,armA=6pt]{->}{ps:t1wer}{ps:t2wer} \lput*[B]{0}{overt} \ncangle[angleA=180,angleB=-90,arm=2cm]{->}{ps:t2wer}{ps:wer} \lput*[B](0.5){overt} \end{center} \caption{Overte zyklische wh-Bewegung} \end{figure}

Die Interaktion von Knotendefinitionen (\rnode), Knotenverbindungslinien (\ncangle, \ncbar etc) und Linienbeschriftungen (\lput, \bput etc) ist ausführlich im umfangreichen Handbuch zu pstricks beschrieben.

TIPA

Das Paket TIPA ist vor allem für Phonologen interessant: Es liefert sämtliche Lautzeichen des IPA-Inventars.

Beim Einbinden sollte die Option safe gewählt werden, weil TIPA sonst mit einer Reihe anderer Funktionen kollidiert:

\usepackage[safe]{tipa}

Alle TIPA-Zeichen können entweder mit einem eigenen Code (z.B. \textturna) oder in der TIPA-Umgebung (\textipa{abcd}) eingegeben werden. Im TIPA-Handbuch (Anhang A) sind alle Codes enthalten.