Spaghetti Napoli

Spaghetti Napoli (auch: alla Napoletana) sind eigentlich kein Gericht, sondern ein eigenständiges Rezeptgenre. Die ursprünglichste Variante der zugehörigen Tomatensauce (pummarola) ist sogar in der Wikipedia vertreten.

Die Unterscheidung zwischen Nudelsauce und Suppe ist eher akademisch und nur für Kohlenhydratverächter von praktischer Relevanz. Entsprechend schmecken die meisten der beschriebenen Saucenvarianten auch ohne Pasta.

Il Classico

Zutaten

Zubereitung

Geschälte Knoblauchzehen in Olivenöl anbraten und wegwerfen, kleingeschnittene Tomaten mit einigen Blättern Basilikum in das aromatisierte Olivenöl geben und mindestens eine Stunde (im Klartext: zwei bis drei Stunden) bei geringer Hitze einkochen lassen. Empfindsame Menschen streichen das Sugo durch ein Sieb, um beim Essen nicht mit Tomatenhautfetzen konfrontiert zu werden. Mit Salz abschmecken und noch etwas gehackten Basilikum über die Sauce streuen. Dazu passt Parmesan.

Alternativ kann diese Sauce mit Hilfe eines guten Mixers bereitet werden: Knoblauchisiertes Olivenöl mit Tomaten, Basilikum und Salz in den Mixer und nach dem Kochen fein pürieren. Damit erübrigt sich auch das Sieben des fertigen Sugo. Weitere Möglichkeiten sind die Verwendung geschälter Dosentomaten oder das aufwendige Häuten der Tomaten.

Falls keine aromatischen Tomaten verfügbar sind und die/der Kochende hinreichend skrupellos ist, kann er/sie dem Geschmack mit Tomatenmark und/oder einer Prise Zucker nachhelfen. Ich würde in diesem Fall allerdings einfach auf Tomatensauce verzichten.

Gebacken

Statt die Tomaten einkochen zu lassen, kann man sie auch häuten und (bei 200 Grad etwa 30 Minuten im Ofen backen) gemeinsam mit dem gehackten Knoblauch, dem Basilikum und dem Olivenöl im Ofen backen, um sie anschließend in Richtung Sauce zu stampfen (oder eben zu pürieren).

Alternativkäse

Keine Sorge: Es geht nicht um Käsesurrogat, sondern um eine Alternative zum beliebten Hartkäse. Der geschätzte Rezeptor empfiehlt, kleingeschnittene Mozzarella-Würfel in die Sauce zu geben (Obacht: den schmelzenden Käse nicht mehr verrühren, sonst verklebt er zu einem Klumpen) und dafür auf den Parmesan zu verzichten. Keine schlechte Idee.

Il Classico Settrentionale

In der Toskana spricht man von pomerola und variiert die Zusammensetzung: Statt des Basilikums kommt (glatte) Petersilie zum Einsatz, zusätzlich 2 kleine Karotten sowie (optional) eine Stange Sellerie. Das Zusatzgemüse wird klein geschnitten und nach dem Entfernen des Knoblauchs kurz gedünstet, bevor die Tomaten zum Einsatz kommen – ansonsten ändert sich nichts.

Noch weiter nordwärts lässt man den Knoblauch weg, nennt das Ergebnis aber dennoch Pasta Napoletana.

Avanguardia

Moderne Varianten enthalten neben den klassischen Zutaten fast immer zwei Zwiebeln, die gemeinsam mit dem Knoblauch gehackt und angedünstet werden. Das Dünstgut verbleibt in der Pfanne. Pragmatikerinnen mit überschaubaren Vorräten ersetzen sogar den Knoblauch durch die Zwiebeln und köcheln die Minimalkombination Tomaten/Zwiebeln/Salz, bis sie schmeckt. Mutige Avantgardisten pfeffern ihre pummarola oder fügen ein wenig Balsamico-Essig hinzu.

Eintopf

Aus den effizienzverliebten USA (konkret: von Martha Stewart) stammt eine Eintopfvariante des Nudelgerichts, die sämtliche Zutaten samt Wasser und Nudeln in einem Topf versammelt und in vielen deutschen Foodblogs (u.a. hier, hier, hier und hier) für Begeisterung gesorgt. Wenigstens eine Bloggerin hat freundlicherweise die Mengenangaben europäisiert:

Zutaten

Zubereitung

Zwiebeln und Knoblauch grob hacken, Tomaten hälfteln. Alle Zutaten in einen Topf geben, zum Kochen bringen und etwa 10 Minuten köcheln lassen.

Bei aller Begeisterung für zeit- und geschirrsparendes Kochen überzeugt mich diese Variante nicht wirklich. Vielleicht liegt es an der falschen Interpretation des Originalrezeptes (One Pan PastaOne Pot Pasta)? Andererseits sollte auch die Verwendung einer Pfanne nicht verhindern können, dass die Sauce eine eher klebrig-matschige Konsistenz bekommt (trotz der einwandfrei bissfesten Nudeln). Frau Kaltmamsell hatte auch gewisse Probleme:

Bei mir war das Ergebnis ein Desaster, schon nach drei der neun Kochminuten begannen die Spaghetti beim Umrühren zu verpomfen, bei gleichzeitig dunkler (=roher) Farbe. Zum Schluss hatte ich Nudelbrei.

Vielversprechender klingt ein Kompromissvorschlag, der Knoblauch und Cocktailtomaten die Pfanne und den Nudeln das Nudelwasser lässt.

Roh

Noch Mutigere verzichten auf den eigentlichen Kochvorgang und pürieren oder hacken einfach alle Zutaten (außer den Nudeln, die auch von radikalen Köchinnen meist nicht ungekocht serviert werden) unmittelbar vor dem Essen. Obacht: Roher, pürierter Knoblauch schmeckt recht herb, die pürierte Variante verträgt deshalb ein wenig Ruhezeit vor dem Servieren. Kundige Leserinnen werden nun einwenden, dass eine rohe Tomatensauce nichts anderes sei als Pesto Rosso. Tatsächlich sind die Grenzen fließend, trotzdem vertragen sich saftige Tomaten eher nicht mit dem Konzept einer ölbasierten Paste.

Eine sehr eigenwillige (aber leckere) Abwandlung der rohen pummarola besteht zu einem wesentlichen Teil aus Paprika:

Zutaten

Zubereitung

Alle Zutaten in einen Mixer geben, fein pürieren.

Angeblich erinnert das Ergebnis an eine frische Variante eines kinderkompatiblen Fertignudelgerichtes, wobei die vermeintliche Zielgruppe die rohe Sauce ähnlich entrüstet zurückweist wie alle anderen selbstgemachten Nudelsaucen (2013-10-12, n=3).

Notfall

Selbst wenn kaum frische Zutaten verfügbar sind, lässt sich im äußersten Notfall eine Tomatensauce herstellen. Sollte reichlich Gemüse, aber keine Tomaten greifbar sein, kann man gemeinsam mit Zwiebeln und Knoblauch auch Paprika, Zucchini, Knollensellerie und Möhre (jeweils gehäckselt) mitdünsten.

Zutaten

Zubereitung

Knoblauch und Zwiebeln hacken, Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, Knoblauch und Zwiebeln anschwitzen, mit Salz, Pfeffer und italienischen Kräutern würzen und einige Minuten dünsten. Tomaten und Tomatenmark, Paprikapulver und Ahornsirup hinzugeben und 10-20 Minuten köcheln lassen.

Krautig

Nicht selten ist auch der Austausch des traditionellen Basilikums gegen herbere Kräuter: 2 Lorbeerblätter, je 2 Teelöffel/4 Zweige Oregano und Thymian sowie 1 Teelöffel/2 Zweige Rosmarin. Diese Sauce lässt sich auch mit weißen Bohnen und ein wenig Salbei ergänzen.

Verschärft

Die Version all'arrabiata ist vergleichsweise trivial: 1-2 gehackte Chilischoten kommen mit den Tomaten in die Pfanne.

Man kann das Thema scharfe Tomatensauce allerdings auch individueller angehen, eine völlig andere Nudelsorte und statt der Chilischoten etwas Harissa verwenden:

Zutaten

Zubereitung

Knoblauch fein hacken. Nudeln al dente kochen, gut abtropfen und in Olivenöl anbraten. Tomatenmark und Harissa hinzufügen und weiterbraten. Mit Salz, Pfeffer und etwas Zucker abschmecken. Knoblauch untermischen und mitbraten. Vor dem Servieren mit etwas Parmesan bestreuen.

Alla Norma

Die nach einer Oper benannte und dennoch ganz undivenhafte sizilianische Variante der neapolitanischen Sauce enthält Auberginen (und eventuell auch Zwiebeln), die einige Minuten gebraten werden, bevor Tomaten und Knoblauch zu ihnen stoßen. Sehr hungrige Menschen reichern diese Sauce mit Sahne und Mozzarella an, das Rezept funktioniert aber auch sehr gut mit Gnocchi.

Möhrlinese

Dem Namen nach bezieht sich diese Sauce wohl auf einen anderen Klassiker, aber die Zugabe von 4 Möhren (in Scheiben geschnitten und angebraten), eines Teelöffels Balsamico-Essig und einer Prise Zimt macht aus einer pummarola kein ragú.

Pasta di Maiorca

Auf den Inseln vor der Provinz Hispania ulterior wird allerlei kombiniert: Sellerie und Möhren, Basilikum, Oregano, Thymian und Rosmarin, Chilischoten und – schwarze Oliven. Interessanterweise wird der Knoblauch nicht mitgedünstet, sondern in gehackter Form gemeinsam mit den Tomaten hinzugefügt.

Ex Oriente Sugo

Auch in der Provinz Achaea mischt man phantasievoll: Es werden Karotten eingesetzt, statt des Sellerie aber eine rote Paprika, die gemeinsam mit Knoblauch, Zwiebeln und Karotten gedünstet werden. An Kräutern: Thymian, Rosmarin, Majoran, Petersilie und Kumin (also praktisch alles außer Basilikum).

Pasta Incognita

In einer globalisierten Welt düfen natürlich asiatische Einflüsse nicht fehlen. Während eine japanisch angehauchte Version (mit Knoblauch, einer Lauchzwiebel, 4 Esslöffeln Miso-Paste, 2 Esslöffeln Rotweinessig und etwas Cayennepfeffer) durchaus noch pasta-kompatibel ist, verlangt eine indische Komposition namens Aloo Tamatar (mit Knoblauch, 2 Zwiebeln, 1 Teelöffel Senfsaat, 2 Zweigen Curryblättern, 2 Chilischoten, 1 Teelöffel Kreuzkümmel sowie 1 Teelöffel Koriander) schon sehr energisch nach Kartoffeln (und einem gut gefüllten Gewürzschrank). Um ein altes Küchenbonmot zu zitieren: Das hat mit Sugo nichts mehr zu tun.